Rapen ab 1800Die neue GesellschaftsordnungDie neue Gesellschaftsordnung musste kommen. Die alte Ordnung hatte abgewirtschaftet. Ihre Weiterentwicklung war nicht mehr möglich. Fortschritt konnte nur durch freie Entfaltung des Einzelnen entstehen. Neue Ideen warteten förmlich auf Umsetzung durch gesellschaftlich freie Menschen. Dass die Menschen durchaus reif für die Bewältigung neuer Aufgaben waren, zeigte sich in Rapen sofort. Vielfältige Zeugnisse aus dem privaten Bereich sind uns überliefert. Aber auch das gemeinschaftliche Leben der Bauerschaft zeigte bemerkenswerte Ansätze der Weiterentwicklung. Eine erwähnenswerte Leistung ist die Aufteilung der Gemeinheitsgründe und die der Diller Mark. Besonders deshalb, weil hier schon sehr früh Gemeineigentum in Privatbesitz überführt wurde.Schützenfahne1804 zeigten die Rapener Junggesellen-Schützen Flagge und dokumentierten ihre Schützenvereinsgründung mit einer Fahne, die noch heute an die Gründung der Schützengilde Rapen erinnert.Die Fahne befindet sich als wertvolles Dokument
im Besitz der Schützengilde Rapen von 1804 e.V. Bautätigkeit im letzten JahrhundertDie Bevölkerung wächstWas bisher selten war, geschah jetzt. Neue Kotten und Heuerlingshäuser, Bauernhäuser und sogar ein großer Gutshof, die Dillenburg, entstanden. Man merkte, dass sich nach und nach Zukunftshoffnung und Freude am Freisein bei den Rapenern einstellte. Die Zahl der Häuser stieg in den Jahren 1782 bis 1843 von 20 auf 38 an. Allerdings stagnierte dann die Entwicklung. 1895 zählte man in Rapen 37 Häuser, zwischenzeitlich waren es auch schon 39 gewesen. Allerdings ersetzte man auch einige ältere Gebäude durch neue. Die Rapener Bevölkerung wuchs von 1782 bis 1843 rapide an. Zählte man 98 Menschen im Jahr 1782, so waren es 71 Jahre später schon 241. Dann stagnierte die Entwicklung ähnlich wie bei den Häusern. 1895 lebten 225 Menschen in Rapen. Die DillenburgDie Dillenburg mit ihrem Besitzer, dem Regierungsrat Franz-Anton Bracht, stellte ein ganz neues Element im Rapener Leben dar. Hatte vorher die Herrschaft auf Gutacker dominiert, so ging deren gesellschaftlich leitende Funktion fast nahtlos an den Herrn "Rath" Franz-Anton Bracht über. Regierungsrat Franz-Anton Bracht starb 1862. Laut Katasterauszug vom 28. Januar 1874 hinterließ er 170 ha Grund und Boden. Seine Erben verkauften die Dillenburg am 5. Juli 1863 für den Preis von 60.000,-- Talern an den Herzog von Arenberg. Dieser veräußert davon 400 Morgen im Jahre 1908 an die Bergwerksgesellschaft Ewald-Fortsetzung, die eine Anzahlung von 900.000,--GM leistete. Der gesamte Kaufpreis betrug 1,25 Millionen Goldmark.Handwerk und GewerbeVor der Industrialisierung war Rapen landwirtschaftlich ausgerichtet. Bauern führten auch handwerkliche Arbeiten mehr oder weniger gut für den Eigenbedarf aus. Allmählich entstanden jedoch auf einigen Höfen kleine Handwerksbetriebe. Man war Bauer und Handwerker zugleich.Der erste freie Müller in RapenTheodor Plumpe hatte in Holland das Müllerhandwerk erlernt. Er war dorthin ausgewichen, um nicht als napoleonischer Soldat den Russlandfeldzug mitmachen zu müssen. Um 1820 baute er eine Windmühle auf dem Gelände des Plumpen-Hofes. Diese Mühle hat nach der Überlieferung auch zum Mahlen von Eichenlohe gedient, welche die Horneburger Gerbereien benötigten. Sie stand bis ca. 1870 an der Straße nach Horneburg auf dem sogenannten Windmühlenberg. Später errichtete die Familie Plumpe eine Dampfmühle. Beim Müller Plumpe ließen die Rapener noch in den 30er Jahren des jetzigen Jahrhunderts Korn mahlen. Heinrich Warnecke berichtet in seinen "Beiträgen zur Geschichte unserer Heimat" von zwei weiteren Mühlen. Danach habe Schulte-Hubbert in alten Zeiten eine Wassermühle auf seinem Hof betrieben. Eine Windmühle des Erzbischofs habe bei Goos (heute Pathe, Auf´m Heidacker) bestanden. Diese sei in arenbergischer Zeit abgebrochen worden. Der dadurch entstandene Mangel habe letztlich zum Bau der Windmühle Plumpe geführt.Dampfmaschine in der KrikedillNach anderen Handwerkern in Rapen gefragt, muss man Leineweber, Zimmerleute und einen Tischler für die Zeit um 1850 nennen. Vornehmlich nach dem Krieg 1870/71 errichten einige Landwirte neue Häuser. Zum Beispiel bauten Plumpe und Lötte/Tönnis neue Hofesgebäude ein wenig weiter als vorher vom Westerbach entfernt. Auch andere Neubauten sind bekannt. All diese Häuser errichtete fast ausnahmslos die Zimmermannsfamilie Gössling. Gösslings hatten in der Krikedill noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts außer einem Zimmermannsbetrieb eine große Schreinerei mit Dampfmaschinenantrieb. Beim Bau der Wohnsiedlungen für die rasch wachsende Bergbaubelegschaft waren Gösslings und ihre Gesellen vor dem 1. Weltkrieg gut beschäftigt. Ansonsten lebte man in Rapen vor der Jahrhundertwende jedoch vorwiegend von der Landwirtschaft.Zwei Ziegeleien in RapenLandwirt Reif betrieb die Ziegelei Nr. 1. Sie wurde später an Deitermann verpachtet und war da, wo sich Ewald- und Verbandstraße heute treffen. Der Bauernhof mit Ziegelei, ca. 60 Morgen, ging um 1950 von den Erben Reif durch Verkauf an die Bergbaugesellschaft Ewald-Fortsetzung über. Die Ziegelei Nr. 2 auf Schulte-Hubbertschem Gelände an der Straße nach Horneburg verschwanden kurz vor dem zweiten Weltkrieg. Ziegel brannte man im Sommer, dann kamen die Ziegelbrenner aus dem Lipper Land. Gustav Kölling (*15.5.1868 +24.4.41), Rapen 23, blieb hier. Sein Sohn Albrecht (*2.9.03 +1983) zog Ende 1957 nach Bad Salzuflen.Aufforstung der Diller MarkDie zu Rapen gehörende Diller Mark war am Ende des 18. Jahrhunderts total heruntergekommen. Von gesundem Baumbestand konnte man nicht mehr reden. Durch ungeordneten Raubbau war der bejammernswerte Zustand letztlich eingetreten. In den langen Kriegszeiten war ungesetzliche Holz- und Plaggenentnahme in den Gemeinheitsgründen alltäglich geworden, weil Holzrichter und Scherner die alte Markenordnung nicht mehr durchsetzen konnten. Die enorme Nachfrage des holländischen Schiffsbaues nach Bauholz begünstigte noch den Waldfrevel. Durch die Markenteilung waren der Herzog von Arenberg und der Regierungsrat Franz-Anton Bracht die größten Grundbesitzer in der Diller Mark geworden. Das erwies sich als segensreich. Beide, der Herzog und der Regierungsrat, betrieben gezielt und konsequent Aufforstungen. Vielfältige Arbeiten waren erforderlich. Zum Beispiel wurden die heute noch erkennbaren Wallhecken zum Schutz der jungen Schonungen gegen das Wild und als Grenzmarkierung angelegt. Abrechnungen mit Rapener Bauern darüber sind im Arenbergarchiv vorhanden.Braunkohle in RapenBraunkohlebergwerk Wald II und PotthütteIn der Dillermark, Flur Dille/Hinter dem Stimberg, betrieb der Landwirt Ensberg eine Potthütte, in welcher Gebrauchskeramik hergestellt wurde. Das Unternehmen hatte nur mäßigen Erfolg und beendete bald seine Tätigkeit. Ein anderes Unternehmen, das Braunkohlebergwerk Haard II, versprach, nach der Mutung am 10. April 1856 einigen Gewinn abzuwerfen. Anträge wurden bei der Behörde gestellt. Der Herzog von Arenberg erteilte am 31. März 1860 auf ministeriellen Erlass hin die Urkunde, mit welcher der Betrieb eines Braunkohlebergwerkes genehmigt wurde. Das Bergwerk bekam den Namen Wald II. Wahrscheinlich war auch diesem Unternehmen kein großer Erfolg beschieden. Die begonnenen Arbeiten stellte man bald wieder ein. Zur Erinnerung errichteten Berglehrlinge des heutigen Bergwerkes Haard das Modell eines Stolleneinganges in der Diller Mark. Schloß Gutacker wurde abgebrochenDas Schloss Gutacker, welches inzwischen dem Herzog von Arenberg gehörte, verschwand um 1860 von der Rapener Bildfläche. Nach Abbruch und Verkauf der Baumaterialien wurde das sumpfige Gelände verfüllt und danach als Wiese genutzt.Die Gutackerschen MühlenIn diesem Zusammenhang sei noch auf die Gutackerschen Mühlen hingewiesen, die seit dem Mittelalter bestanden hatten. Die Räder der beiden Wassermühlen wurden aus zwei Mühlenteichen mit Wasser versorgt. Teich Nr. 1 und die Kornmühle erhielten ihr Wasser vom Westerbach. Die Oelmühle und Teich Nr. 2 benutzten das Wasser des Steinrapener Baches. Die Kornmühle befand sich da, wo jetzt Janinhoffs Garten liegt. Der Weiher dehnte sich in Richtung Hof Buerstedde, jetzt Ovelhey, aus. Oberhalb des Mühlenrades befand sich eine Brücke für den Fahrweg ins Horneburger Feld. Die Mühle wurde zuletzt von einer Familie Schonlau betrieben und brannte 1896 ab. Der Herzog von Arenberg baute statt ihrer einen Bauernhof, versah diesen mit entsprechend großen Ländereien und verpachtete ihn der Familie Janinhoff. Das Mühlrad wurde 1928/29 letztmals erneuert. 1930 trieb es noch einige Maschinen des Hofes Janinhoff an. Zum Schluss war ein bescheidener elektrischer Stromerzeuger mit dem Wasserrad verbunden. Einige alte Mühlsteine kann man noch heute am Hause von Janinhoff sehen. Nicht weit von Lammerts Kotten (Rapen 24) stand die Oelmühle. Sie wurde vermutlich um 1880 aufgegeben, angeblich weil sie ausgebrannt war (Abbruch 1906 laut H. Warnecke in "Beiträge zur Geschichte unserer Heimat"). Die Mühle soll zuletzt von der Familie Kottmann betrieben worden sein, welche danach die Oelmühle in Siepen übernahm. Einer der Söhne dieser Familie kaufte um 1900 den Köperschen Kotten (Rapen 15/1) an der Holtgarde.Bauerschaft Rapen wächst nach 1900Als pünktlich mit dem neuen Jahrhundert der Bergbau seinen Einzug hielt, entstanden nach und nach viele Wohn- und Geschäftshäuser in Rapen. Weiterhin entwickelte sich unsere Bauerschaft bis heute zu einem Gewerbe- und Dienstleistungszentrum. Nicht zu vergessen ist der Kirch-, Kindergarten- und Schulneubau. Mit dem Stickstoffwerk und dem Doppelschacht IV/V hatten wir sogar für einige Zeit großindustrielle Betriebe in Rapen.Bautätigkeit seit der Jahrhundertwende1902/1903 entstanden die meisten Häuser auf dem Kolven (Walderseestraße Nummern 497 und höher), heute Ewaldstraße Nr. 128 bis Nr. 150 und Nr. 75 bis Nr. 105. Hier entwickelt sich das Rapener Einzelhandelszentrum. Außerdem wurde das Effmannsche Haus an der Wrangelstraße gebaut, heute Im Buschkamp 2. Weiter sind einige damals errichtete Häuser an der Yorkstraße, heute Freiheitstraße, und an der Ziethenstraße, heute Wittlohstraße, zu nennen. 1910 wurde die Kolonie in Rapen fertiggestellt. Sie bestand aus 57 Vierfamilienhäusern und 3 Beamtendoppelhäusern an der Bismarck-, Roon- und Moltkestraße (heute Berg-, Wald- und Klein-Erkenschwicker-Straße). Nach 1926 wurden die Häuser an der Roonstraße westlich der Bergstraße und die Häuser an der Holtgade fertig. Als zusammenhängende Baumaßnahme entstanden 1928/30 die Wohngebäude Im Buschkamp Nr. 11 bis Nr. 35 und Nr. 26 bis Nr. 38 sowie Ludwigstraße Nr. 77, 79 und 81. Zur gleichen Baumaßnahme gehörte das Haus Freiheitstraße Nr. 31/33. Erst 10 Jahre später wurde unter dem zweiten Vierjahresplan (1937 bis 1941) eine größere Baumaßnahme begonnen und 1942 fertiggestellt. Es handelte sich um die Häuser Ewaldstraße Nr. 92, 94, 96, 98, 100, 102 sowie Wittekindstraße Nr. 1, 3, 5, 7 und Freiheitstraße Nr. 12, 14, 16, 18, 20, 22. Am 16. Januar 1942 erschütterte eine Gasbehälterexplosion auf dem Stickstoffwerk unseren Ort. Viele werksnahe Wohnungen wurden zerstört und unbewohnbar. Obschon die Häuser an der Freiheitstraße noch nicht ganz fertig waren, wurden sie den Obdachlosen als Wohnung zugewiesen. Nach dem zweiten Weltkrieg galt es zuerst, zerstörte Privathäuser und die Schulen wieder aufzubauen. Später entstanden Häuser zwischen Ewald- und Wittlohstraße sowie am Steinrapener Weg. Seit 1990 wurden noch fast 50 Wohnungen an der Walter-, Wittloh- und Wittekindstraße errichtet. 1951 konnte die Clemens-Höppe-Schule fertiggestellt werden. 1958 weihte man den Kindergarten und 1963 die Kirche St. Marien ein. Noch in diesem Jahr (1994) will die Stadt Oer-Erkenschwick ihre Häuser Wittlohstraße 2 und 4, die ca. 90 Jahre alt sind, abreißen lassen. Neue Wohnhäuser sollen dort entstehen. Letzte Meldung am 8.7.1994 in der Stimbergzeitung: "Zwischen Bergstraße und Waldstraße wird soeben mit dem Bau von 17 Ein- und Zweifamilienhäusern begonnen. Bürgermeister Clemens Peick tat gestern den ersten Spatenstich."Kaufhaus Sander
Gemeindegasthaus Nr. 1 und Nr. 2Im Sommer des Jahres 1905 war der Neubau des ersten Rapener Gemeindegasthauses bezugsfertig. Fritz Hübner sen. übernahm mit seiner Familie die Bewirtung. Das Haus ist wenig verändert noch erhalten. Es hat heute die Bezeichnung Ewaldstraße 150. Nur die Wagenremise mit einem Stall für sechs Pferde wurde inzwischen abgebrochen und dafür ein Wohnhaus mit Flachdach errichtet. Sieben Jahre später konnten Hübners in ein größeres Haus, welches die Gemeinde Datteln an der Ecke Ewaldstraße/Steinrapener Weg gebaut hatte, umziehen. Haus Hübner wurde bald zu einer Institution in Rapen und ist es bis auf den heutigen Tag geblieben.Straßenbau
Steinrapener Weg: Aus Horneburg kommend sieht man rechts die Bäckerei Vorwerk (Hagenberg) und links Haus Hübner
Polizist für RapenRudolf Colneric schildert den Gendarm Bernhard Iffland. Er hatte auf der Bismarckstraße, heute Bergstraße 17, seine Dienstwohnung. Hinter dem Haus war ein kleines Stallgebäude mit Arrestzellen. Dieses Häuschen nannte man allgemein nur Ifflands Kasten. Gendarm Iffland musste oft nach eigenem Ermessen entscheiden, da ohne Telefon und Streifenwagen der Dienstweg einfach zu lang war, um höheren Orts nachfragen zu können. Mit der Zeit war er zum allgeachteten Patriarchen geworden. Die Rapener Zeit Ifflands endete 1923, als die französische Besatzungsbehörde ihn, den nicht kollaborationswilligen deutschen Beamten, aus dem Dienst entfernte. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass im Hause Rapen Nr. 26 um 1817 ein Polizeidiener Namens Finger ansässig war. Wie weit er hoheitliche Aufgaben in Rapen wahrgenommen hat, wissen wir zur Zeit noch nicht.Am 24. August 1920 wird der Lohngeldtransport für Emscher-Lippe (Datteln) überfallen. Die Begleitpersonen werden erschossen und 1,6 Millionen Mark geraubt. Die Räuber werden später zum Tode und zu langen Zuchthausstrafen verurteilt
Elektrizität und StraßenbahnNoch 1909 scheint man in Rapen auf die Versorgung mit elektrischer Energie gewartet zu haben. 11 Rapener schrieben am 14. September 1909 an den Amtmann von Bülow in Datteln, dass sie endlich mit Elektrizität versorgt werden wollten. Sie hatten Erfolg, denn spätestens am 4. Juni 1914 müssen Teile Rapens mit dem öffentlichen Versorgungsnetz der Elektrizitätswerke Westfalen AG verbunden gewesen sein. Uns liegt eine schriftliche Anfrage der Gemeinde Datteln an die oben genannte AG vor, in welcher Auskunft über den Rapener Stromverbrauch verlangt wird. Anmerkung: Weitere Auskünfte finden sich in "Licht und Kraft für Rapen" im Buch "1900-1914 Ein Hauch von Palladio Eine andere Kaiserzeit" Oer-Erkenschwick, 1997 Seite 21 Die Straßenbahnlinie Nr. 2 der Recklinghäuser Kleinbahnen GmbH fuhr ab dem 15. Dezember 1909 von Recklinghausen bis Rapen. 1913 wurde der Schienenweg nach Datteln verlängert. Die Straßenbahnzeit endete im September 1959. Damals hat die "Vestische" ihre Schienen wieder entfernt und fortan Busse eingesetzt. Heute sind Straßenbahnen wieder sehr erwünscht, und es wäre schwerlich eine Demontage wie 1959 durchzusetzen.Haus Hübner: Haltestelle der Straßenbahnlinie Nr. 2.
Ihre Schienen endeten 1909 in Rapen; Weiterbau bis Datteln 1913. Rapener verhindern Wasserentnahme für Kokerei1920 vereinbart die Bergwerksgesellschaft Ewald-Fortsetzung mit dem Landwirt Sprenger (Rapen Nr. 2) einen Wasserabnahmevertrag. Sprengers Quelle in der Krikedill sollte ihr Wasser nicht mehr in den Steinrapener Bach abgeben. Man wollte es durch eine Rohrleitung zur Kokerei nach Erkenschwick pumpen. Aus der Sache wurde aber nichts. Neben den Mühlenbesitzern Hundrup und Rüping (beide Datteln), widersprachen diesem Plan auch Landwirt Köpper (Rapen Nr. 24), Schreiner Wesselbaum (Rapen Nr. 33), Zimmermeister Gößling (Rapen Nr. 28) und Landwirt Jeismann (Rapen Nr. 8). Sprenger, der mindestens seit 1850 verbriefte Quellrechte hatte, wurde von der Bergwerksgesellschaft Ewald-Fortsetzung mit 6000 Ziegelsteinen und 15 Sack Zement entschädigt, weil er sich mit der Auflösung des Vertrages einverstanden erklärte.Schacht IV/V und Stickstoffwerk in Rapen1918 bis 1922 wurde Schacht IV/V von Ewald-Fortsetzung in Rapen an der Karlstraße abgeteuft. Zuerst stand dort ein hölzernes Schachtgerüst. Es wurde 1921/22 zum Luftschacht Emscherlippe in Datteln, nahe der Siedlung Waldersee, gebracht. Ab 1. Juli 1925 förderte Schacht IV/V in Rapen von der 800-Meter-Sohle. Ab August 1926 brachte man die Rapener Kohle in Erkenschwick zutage, nachdem ein Durchschlag auf der 800 m Sohle hergestellt worden war. 1970 musste die Rapener Schachtanlage wieder geschlossen werden. Am 7. Juli 1929 begann die Bergwerksgesellschaft Ewald-Fortsetzung den Bau eines großen Stickstoffwerkes auf Rapener Boden. Ab 1930 konnten dort täglich 70 t Ammoniak hergestellt werden. Ammoniak (NH3) ist ein Gas, welches zusammen mit Wasser, also auch mit der Luftfeuchte, Salmiakgeist bildet und entsprechend riecht. Bis zur Schließung des Stickstoffwerkes am 31. Januar 1971, also 40 Jahre lang, lebte man in Rapen mit dem aufdringlichen Geruch aus dem Stickstoffwerk. Nur günstige Windrichtungen schafften zeitweilige Befreiung davon.Vom Bergbau geblieben ist uns der Luftschacht IV/V und die Zechenbahn nach Suderwich, die in den Fünfzigerjahren errichtet wurde. Immer noch besteht der Plan einer Großraumhalde zwischen Holtgarde und Oelmühlenweg. Schacht IV/V: Das Bild entstand um 1927 von der Pflaumenallee aus
Ruhrbesetzung und InflationWährend der Ruhrbesetzung, 1923 bis 1925, wurde die Rapener Schachtanlage ab dem 10. Juni 1923 unter die Aufsicht belgischer Soldaten gestellt. Im Dezember des gleiche Jahres zogen diese wieder ab. Hintergrund der Aktion waren die im Versailler Friedensvertrag vereinbarten Reparationszahlungen des deutschen Reiches. Weil sie nicht vertragsgemäß geleistet werden konnten, besetzten verschiedene Siegermächte unter Führung Frankreichs das Ruhrgebiet, um sich an den Kohleförderungen schadlos zu halten. In Rapen hatte die Besetzung unter anderem auf schulischem Gebiet spürbare Folgen. Weil die Besatzungssoldaten die evangelische Schule als Kaserne requirierten, mussten alle Rapener Kinder in der katholischen Schule unterrichtet werden. Kurz darauf wurde auch diese zur Kaserne umfunktioniert. Rapens Kinder hatten in der Folgezeit die Erkenschwicker Schulen zu besuchen.Im Jahre 1923 verschlechterte sich die Reichsmark zusehends. Der Durchschnittsschichtlohn kletterte auf 23 Millionen Mark. Schließlich kostete Mitte des Jahres eine Briefmarke 50 Milliarden Mark. Nach der Währungsreform im Oktober 1924 konnte man dann wieder ein Brötchen für 7 Pfennige kaufen. Ruhrbesetzung: Belgische Truppen marschieren am 12. Juni 1923 in Rapen ein
Die preußische Gemeindereform und StadtwerdungNach dem Gesetz vom 26. Februar 1926 über die Neuregelung der kommunalen Grenzen im Rheinisch-Westfälischen Industriebezirk entstand die Gemeinde Oer-Erkenschwick aus dem Dorf Oer, der Bauerschaft Erkenschwick und der Bauerschaft Rapen. Rapen gehörte bis dahin zur Gemeinde Datteln, Erkenschwick dagegen zur Landgemeinde Recklinghausen. Am 9. Mai 1926 fand die erste Kommunalwahl in der neuen Gemeinde statt. Der Rektor der katholischen Volksschule Rapen, Clemens Höppe (*6.12.1884 +9.11.1936) (Zentrum), wurde zum Gemeindeoberhaupt gewählt. Er blieb Gemeindevorsteher bis Hermann Weinert (KPD) mit den Stimmen der SPD am 17. Dezember 1929 zu seinem Nachfolger bestimmt wurde. Weinert durfte das Amt jedoch nicht antreten, weil er ein langes Vorstrafenregister hatte. Dann folgte ein skandalöses Zwischenspiel mit der 2. Wahl. Eine Stimme war gekauft worden. Mit der folgenden dritten Wahl wurde Heinrich Stegemann (Zentrum) Gemeindevorsteher. Näheres über die Vorgänge ist in der Chronik von Oer-Erkenschwick nachzulesen. Dem Rat der Stadt Oer-Erkenschwick wurde am 17. Mai 1953 die Urkunde zur Stadtwerdung überreicht. Nachzutragen ist, daß bis zum 31. Dezember 1964 Oer-Erkenschwick verwaltungsmäßig zum Amt Datteln gehörte. Die im Jahr 1975 durchgeführte NW-Gemeindereform brachte für unser Gebiet nichts neues. Man hatte erwogen, Horneburg einzugemeinden. Dieser Plan misslang.Gaskesselexplosion in RapenAm Freitag, den 16. Januar 1942, nachmittags gegen 17 Uhr, explodierte ein Gasbehälter auf dem Gelände des Stickstoffwerkes. Die Folgen waren sehr schlimm. Auf dem Werk fanden 15 Männer den Tod. Teile des Werkes konnten erst ein Jahr später wieder in Betrieb genommen werden. Für die in Werksnähe wohnenden Menschen war die Explosion eine Katastrophe. Viele Häuser waren unbewohnbar geworden. Dächer in großer Zahl standen ohne Dach. Die meisten Wohnungen hatten keine Fensterscheiben und Fensterrahmen mehr. Herumfliegende Kessel- und Gebäudeteile sowie die Druckwelle führten zu Verletzungen und bleibenden Schäden. Das alles geschah bei klirrendem Frost. Wochenlang anhaltender Frost hatte dazu geführt, dass die Deckelscheibe des Gasbehälters sich nicht mehr den Schwankungen des Gasinhaltes anpassen konnte. Die Folge war, daß Gas in den oberen Behälterraum übertrat und sich Knallgas bildete. Wie im einzelnen die Explosion entstand, ließ sich nicht eindeutig klären, denn alle Betriebsbeamten, die darüber hätten aussagen können, kamen bei der Explosion ums Leben (So der offizielle Bericht). Die Gaskesselexplosion traf Rapen mitten im Kriegswinter 1941/42. Betroffene berichten von beschädigten und ganz unbewohnbaren Häusern. Viele erinnern sich genau, wo sie sich gerade zum Zeitpunkt der Explosion befanden oder womit sie beschäftigt waren. Eine Rapenerin, damals 12 Jahre alt, erzählte, dass sie und ihre Brüder in der Küche waren und der Mutter zuhörten, die ihnen vorlas. Dann habe es einen furchtbaren Explosionsdruck und Detonationsdonner gegeben. Die Fensterscheiben seien zerbrochen und Bruder Franz habe einen Fensterflügel um den Hals hängen gehabt. Die Küche habe entsprechend ausgesehen.
NS-GleichschaltungMit den beiden Gesetzten zur "Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März und vom 7. April 1933 wurde in ganz Deutschland das sogenannte "Führerprinzip" zur Organisationsform für Verwaltungen und Körperschaften erhoben. Die demokratischen Strukturen der Weimarer Zeit hatten aufgehört zu bestehen. Mehr noch, sie waren hinfort für ganz Deutschland verboten. "Ähnlich wie die Verwaltung wurden Vereine und Verbände gleichgeschaltet. In die Vorstände wurden, freiwillig oder unter staatlichen Druck, Nationalsozialisten berufen, die sich der NSDAP unterstellten oder nationalsozialistischen Organisationen anschlossen. Vereine, die sich nicht gleichschalten wollten, wurden verboten." Vereine, die weiterbestehen wollten, hatten sich der Gleichschaltung zu fügen. Die NSDAP versuchte mit Macht zumindest alle Vereinsvorstände zur Mitgliedschaft in ihren Organisationen zu bewegen. In der Regel fügte man sich äußerlich. Wie linientreu man wirklich war, stand auf einem anderen Blatt. Auch in Rapens Schulen wirkte zusätzlich noch "Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933, welches nur nationalsozialistisch gesinnten Beamten, also auch Lehrern, die Arbeit im Staatsdienst erlaubte. Einem Schullehrer war es fortan unmöglich oppositionelle Ansichten zu vertreten, wollte er sich nicht selbst seiner Existenzgrundlage berauben.Kriegerverein Rapen 1927: Das Bild ist vor der evangelischen Schule aufgenommen
Kriegerverein Rapen 1935: Jetzt im Kyffhäuserbund gleichgeschaltet. Das Bild ist vor der katholischen Schule aufgenommen
Erinnerungen an die HitlerzeitViele Rapener erinnern sich recht schmerzlich an die damaligen politischen Verhältnisse. Sie bestätigen übereinstimmend, dass man in jener Zeit sehr vorsichtig sein musste beim Reden und, dass es ein Wagnis war, ehrlich seine Meinung zu sagen. Die behielt man am besten für sich. Zu schnell wurde man angeschwärzt. Konzentrationslager, kurz KZ genannt, waren bekannt. Zumindest ein Rapener Lehrer, so wird glaubhaft berichtet, hat damals im Unterricht erklärt, dass im KZ Volksschädlinge zum nationalsozialistischen Denken und Handeln erzogen würden. Ebenso bestätigen viele Zeitzeugen, dass auch in Rapen immer wieder Menschen abgeholt wurden. Man erinnert sich sehr gut an solche Abgeholte. Wenn sie nach Wochen zurückkamen, waren sie stumm. Was ihnen passiert war, erzählten sie nicht. Einige sind nie wieder aufgetaucht. Sehr schlimm und zermürbend war der Bombenkrieg. Kaum vergingen einige Nächte, in denen man nicht in den Luftschutzkeller oder Bunker musste. Rudolf Colneric schreibt: "Die ersten Bomben fielen in der Nacht zum 13. November 1940, glücklicherweise auf freies Gelände in Rapen." Nicht das letzte, aber das folgenschwerste Bombardement erlebten die Rapener Anfang 1945. Am frühen Nachmittag des 15. Januar 1945, es war ein Montag, griffen amerikanische Bomber in drei Angriffswellen von Süden her die Zeche Ewald-Fortsetzung an. Dabei fiel ein großer Teil der Bombenfracht auf Rapen. An diesem Tag hielt der Tod reiche Ernte. Im Hause der Bäckerei Kettler, Ewaldstr., starben 11 Menschen. Die 70jährige Frau des Fleischermeisters Koenders fand den Tod im Keller ihres Hauses. Dieses stand ungefähr da, wo jetzt die Robertstraße in die Ewaldstraße einmündet. Die Grundmauern von Koenders Haus waren 1949 noch zu sehen. Die aus den Trümmern geborgen Leichen legte man zuerst auf den Fußboden in Piepers Schmiede, Ewaldstraße 70. Die Schulen waren beide zerstört, zwei Bauernhöfe, Jeismann und Schulte-Havermann, ebenfalls. Viele Häuser hatten schwere Treffer abbekommen, vor allem im Gebiet Buschkamp, Freiheit-/Ewaldstraße und an der Klein-Erkenschwicker-Straße. Dort hat es vermutlich auch Tote gegeben. Die nebenstehende Karte wurde nach dem Angriff angefertigt und zeigt fast alle Sprengbombentreffer und Blindgänger. Sie ist aber nicht vollständig, wie sich inzwischen herausstellte. Es fehlen auch die Treffer im Rapener Zwangsarbeiterlager.
Schützenfest 1939: Die Rapener Schützen ließen sich wohl nicht so leicht gleichschalten und mit Hakenkreuzen dekorieren. Zum Schützenfest 1939 brachte der Ortsgruppenleiter dennoch eine Hakenkreuzfahne mit.
Zwangsarbeitslager in RapenDas Lager lag an der Karlstraße zwischen Pflaumenallee und der Waschkaue des Schachtes IV/V. Es ist mit A auf der Karte gekennzeichnet. Die ersten Baracken waren schon 1939 vor Kriegsbeginn aufgestellt worden. Im Sommer 1939 zogen dort Wehrmachts-Soldaten ein. Sie gehörten zu den Truppen, welche man in Erwartung des Westfeldzuges bereitstellte. Später übernahm die SS den Lagerkomplex. Sie sperrte osteuropäische Fremdarbeiter und russische Kriegsgefangene in die stacheldrahtumzäunten Holz- und Steinbaracken, um sie als Arbeitskräfte an die Bergwerksgesellschaft Ewald-Fortsetzung zu vermieten. Der Bergbau litt nämlich unter Arbeitskräftemangel, weil man viele Bergleute zum Kriegsdienst eingezogen hatte. Bis 1945 mußten 77.800 Ruhrbergleute zur Wehrmacht. Zwangsarbeiter ersetzten sie. Bis 1944 wurde deshalb die Ewald-Fortsetzung-Belegschaft um 1700 Mann aufgestockt, zumeist mit russischen Kriegsgefangenen. Für sie hatte man drei Lager errichtet, eines davon in Rapen. Der Lageplan des Geländes zeigt 20 Gebäude. Vermutlich waren einige Baracken als Unterkunft der Wachmannschaften sowie als Lager bestimmt. Die größeren Baracken dienten den Zwangsarbeitern als Wohnung. Der Plan zeigt Baracken folgender Größen: ca. 8 x 40 m, ca. 8 x 30 m und ca. 8 x 35 m. Die Steinbaracken hatten Kellergeschosse. Dort befanden sich unter anderem Arrestzellen mit ca. 1,20 x 2 m Grundfläche, wie Augenzeuge R.G. 1946 festgestellt hat.Das Gefangenenlager an der Karlstraße 1951 nach dem Abriss einiger Baracken
Daß es den bedauernswerten Arbeitssklaven sehr schlecht ging, erzählen ältere Rapener. Ihre Verpflegung war miserabel. Wir lesen: "In der Grube arbeitende Kriegsgefangene und Ostarbeiter tauschen wegen Hungers Seife und einfaches Bastelwerk gegen Brot, Kartoffel und Gemüse." An anderer Stelle finden wir einen Hinweis darauf, dass die Gesundheit der Zwangsarbeiter keine große Rolle spielte. Wir lesen: "Arbeiter sind so rar, dass russische Kriegsgefangene ohne ärztliche Untersuchung in die Grube dürfen; die Untersuchung auf Wurmkrankheit soll später erfolgen."
Im Rapener Lager müssen bis zu 600 Gefangene gleichzeitig gelebt haben. Die Zahl kann als ziemlich sicher gelten, wenn man die Größen der Baracken mit andern Angaben über die nationalsozialistische Lagerpraxis vergleicht.
Französische Kriegsgefangene hatten, so wird erzählt (Pläne fanden wir bisher nicht), ein gesondertes Lager zwischen Karlstraße und Zechenbahn an der Holtgarde gegenüber der Gaststätte Tillmann. Die Franzosen behandelte man besser als die osteuropäischen Gefangenen. Sie konnten auch Pakete aus ihrer Heimat empfangen. Einzelne Gefangene durften schon mal bei den Rapener Bauern arbeiten. Oder sie schaufelten deutschen Bergleuten die Kohlen in die Keller, hackten Holz oder halfen bei der Gartenarbeit.
Die Deutschen Wachmannschaften im sogenannten Russenlager gingen äußerst brutal vor. Zeugen berichten, dass die Gefangenen unmenschlich gedemütigt wurden. Viele hätte man oft halb tot geprügelt. Zeuge R.G. "Als ich einmal über die Karlstraße spazierte, standen Gefangene in einer Schlange bereit zum Essenempfang. Da nahm sich der Wachmann K.E. einen Jungen, der vielleicht so alt war wie ich, heraus und verprügelte ihn furchtbar."
L.D bezeugt: "Ich habe als Jugendlicher gesehen, wie der Wachmann I.K. einen großen Hund, der sonst im Zwinger lag, ohne Maulkorb auf die Gefangenen hetzte. I.K. war ein ganz gemeines Subjekt. Vor 1933 hatte er, obschon er damals bei der Polizei war, im Gefängnis gesessen. Im April 1945 haben ihn die Russen gesucht. Er war aber untergetaucht. Dieser I.K. hat einen Russen aufs furchtbarste blutig geschlagen, nur weil er eine Runkel, die obendrein noch angefroren war, von Feld genommen hatte."
C.H. berichtet: "Die Russen waren unterernährt, wurden in der Grube aber zu höchster Arbeitsleistung angetrieben. Die nahmen alles vom Boden, was nur eben essbar war. Sie mussten oft über die Zechenbahngleise nach Erkenschwick zur Arbeit gehen. Unter den Wachmannschaften gab es richtige Schweine. Die legten schon mal eine Rübe oder Wurzel irgendwo neben die Bahnschienen und warteten nur darauf, daß einer sich danach bückte. Den schlugen sie dann ungeachtet seiner Schmerzensschreie unter wüsten Beschimpfungen bis er sich nicht mehr rührte."
Auf die Frage nach der Anzahl der Lagerinsassen antwortete C.H.: "Für 350 gab es Essen, mehr nicht, egal wie viele Gefangene im Lager waren. 300 Liter Wasser kamen in den Kochbottich und dazu wurde Dörrgemüse geschüttet, etwa soviel, wie in einen großen Farbeneimer passen würde. Die Russen waren nach einiger Zeit unheimlich aufgedunsen und hatten richtige Wasserköpfe. Viele sind daran gestorben, meist bei der Arbeit in der Grube. Manche hat man auch zu Tode gepiesackt. Die Leichen wurden in ein Laken gewickelt und irgendwo vergraben. Auf dem Waldfriedhof liegen nicht die meisten. Später gab man Nierenfett in die Suppe, damit die Leute mehr Leistung brachten"
Ab 1944 besserte man die Verpflegung ein wenig auf, weil der Nachschub an neuen Arbeitssklaven versiegte. Vorher hatte man nämlich an oberster Stelle in SS-Kreisen mit einer durchschnittlichen Lebensdauer der Gefangenen von ca. 270 Tagen gerechnet. In dieser Zeit sollten Gefangene bis zu ihrem geplanten Tod jeweils ca. 1600,-- Reichsmark Gewinn in die Kassen der SS bringen. An Verpflegungskosten waren je Tag 60 Pfennige vorgesehen. Dieser Betrag wurde, wie bereits berichtet, vor Kriegsende angehoben, damit die Gefangenen nicht so schnell starben.
Vom oben erwähnten Dörrgemüse lesen wir: "Für die Lagerverpflegung baut man 1944 an der Zeche König Ludwig 7/8 am Ickerottweg in Suderwich, nahe den Becklemer Feldern, eine Trockengemüseanlage, in der maschinell gesäubertes Rohgemüse zerkleinert, heißluftgetrocknet und in Papiersäcken verpackt wird."
"Das Dörrgemüse bestand aus Wirsing, Kappes und Rotkohl und als S.CH. die Verpflegung unter sich hatte, kam auch schon mal eine Schaufel Kies als Schikane in die Suppe", berichtet C.H. Es wurde bereits berichtet, dass Gefangene auch außerhalb von Zeche und Lager arbeiteten. Deutsche durften aber keine Lebensmittel an die Gefangenen abgeben, "weil damit der Feind unterstützt wird". Trotzdem haben viele Rapener in jener Zeit von dem Wenigen, was sie selbst hatten, den Gefangenen etwas zugesteckt. Es wird aber auch von Nationalsozialisten berichtet, die den Gefangenen solche Liebesgaben wieder abnahmen und ihnen zusätzlich Prügel verpassten. Viele Bergleute haben den Zwangsarbeitern auf der Arbeitstelle Butterbrote zugesteckt und dafür gesorgt, dass sie diese auch essen konnten. An einigen Stellen, so auch an einem Weg oberhalb der Bergstraße, legten mitleidige Menschen immer wieder einige Kartoffeln, Gemüse oder anderes Essbare für die hungernden Lagerinsassen nieder, berichtete Zeuge E.R.
Anmerkung: Die Namensabkürzungen wurden vom Herausgeber verfälscht. Sie stimmen nicht mit den Initialen der entsprechenden Personen überein.
Nachdem am Ostersonntag, den 1. April 1945, amerikanische Truppen einmarschiert waren, herrschte in der Rapener Bevölkerung große Furcht. Die Deutschen waren nun ihrerseits zum Freiwild geworden. Befreite Lagerinsassen suchten Rache und Nahrung. Auch einige Besatzer übertraten für kurze Zeit ihre Richtlinien und vergewaltigten und raubten. Die wirklich schuldigen Nationalsozialisten waren aber meist untergetaucht. Sucht man heute Unterlagen aus der damaligen Zeit in heimischen Archiven, so findet man praktisch nichts. Alles wurde vernichtet.
Die für Deutsche so schreckliche Zeit endete aber bereits im Sommer 1945. Man muss auch sagen, daß die befreiten Gefangenen sich - im Gegensatz zu ihren vormaligen Peinigern - durchweg wie Menschen benahmen. Vielleicht auch deshalb, weil sie in der langen Zeit ihres Leidens immer wieder mit deutschen Menschen Kontakt hatten, die ihnen halfen und ihrerseits die Scheußlichkeiten der NS-Wachtruppen verurteilten.
Die WachmannschaftenStändiger Terror, psychologisch-subtil und handfest-brutal angewandt, festigte die NS-Herrschaft. Das dazu benötigte Werkzeug schufen sich die Machthaber mit der SS und den anderen militärähnlichen NS-Organisationen. Sicher waren nur wenige Sadisten unter den Mitgliedern. Alle wurden jedoch zu äußerster Härte und Mitleidlosigkeit angehalten. Statt mit Argumenten zu überzeugen, sollte die andere Meinung mit roher Gewalt zerbrochen werden. Dazu kam, dass in einem Lager, wie dem in Rapen, etliche hundert getretener, hungernder und erniedrigter Männer auf unzureichend kleinem Raum in Schach gehalten werden mussten. Gewalt und Angst beherrschte jeden in dieser Hölle, auch jeden noch so biederen NS-Wachmann. Was waren denn das für Leute, aus deren Mitte man die Schergen rekrutierte? Lassen wir einen SA-Mann sprechen: "Wir werden später vom Führer Arbeit bekommen, die leicht ist, Arbeit bei der Polizei oder sonst irgendwelche Vergünstigungen." Und was waren das für Vergünstigungen? Vier- bis fünfmal die Woche nach der Arbeit Dienst, Geländelauf, Stechschritt üben, Hitlerlieder singen, parieren, 10 km Märsche mit Gepäck und sonst dergleichen. Sie fühlten sich als Elite, waren aber Betrogene. Bei all dem verloren sie ihren gesunden Menschenverstand und vergaßen bei Trinkgelagen die eigene Misere. Dazu kam, dass geschickt-teuflische Terror-Gesetze ihnen suggerierten, unmenschliches Handeln sei Rechtens. Im Lager waren sie Teufel und zu Hause die nettesten Menschen. Man hatte ihr Bewußtsein gespalten. Sie waren Komplizen einer verbrecherischen Staatsführung. Im Anfang waren sie ehrlich überzeugt, was sich aber änderte, wenn sie merkten, worauf sie sich eingelassen hatten. Den meisten fehlte dann der Mut zum Aussteigen.Warum erinnern?Die Mehrheit der Rapener fügte sich notgedrungen, stand aber nicht auf Seiten der braunen Schergen. Viele haben trotz Bedrohung durch die damaligen Machthaber das Los der geschundenen Lagermenschen lichtblickhaft, wenn auch nur für ganz kurze Augenblicke, verbessert. Vergessen wir das nicht! Es gibt noch einen Grund, sich an die Hitlerzeit zu erinnern. Am Volkstrauertag gedenken wir an erster Stelle der vielen Kriegstoten. Darunter viele Rapener, die noch leben könnten, wenn Hitler nicht den unsinnigen Krieg herbeigeführt hätte. Genauso wie wir um diese trauern, dürfen wir jene, die an der Karlstraße unter schlimmsten Bedingungen sinnlos zu Tode kamen, nicht vergessen. Beide Gruppen haben letztlich in ihren jeweiligen Familien große Lücken hinterlassen, hier in Rapen und in der Heimat jener bedauernswerten Osteuropäer.Die Karte der Bombentreffer vom Luftangriff am 15. Januar 1945
Was später mit dem Lager geschahNach 1945 wurden die beim Luftangriff zerstörten Baracken wieder aufgebaut. Noch bis nach 1950 diente das Lager Obdachlosen, Flüchtlingen und auswärts angeworbenen Bergarbeitern als Quartier. Einige der Holzbaracken zerlegte man und baute sie woanders wieder auf. Sie wurden als Vereinsheime, Betriebs- und Verwaltungsgebäude oder auch als Wohnungen und Schulen verwendet.Landwirtschaft weicht GewerbeRapen ist auch heute noch zum Teil landwirtschaftlich geprägt. Allerdings schrumpfen die Ackerbauflächen zusehends. Nachdem 1910 bereits große Teile des Hofes Winkelmann mit der Kolonie bebaut worden waren, mußte ein Teil des Ackerlandes vom Gut Dillenburg dem Schacht IV/V weichen. Die nächste große Landwirtschaftsfläche ging beim Bau des Stickstoffwerkes verloren. Wohnhäuser und Straßenbau forderten weiteres Land. Nach 1945 sind zwei große Bauernhöfe, die alten Höfe Schulte-Hubbert und Wiesmann, völlig in Gewerbegebiete aufgegangen, dazu Teile des Gutes Dillenburg im Steinrapener Tal und im Winkelfeld. Von den historischen Bauernhöfen sind noch vorhanden: Janinhoff an der Grenze nach Hagem, Mersmann (Rapen Nr. 1), Sprenger (Rapen Nr. 2), Ovelhey (Rapen Nr. 3), Rennefeld (Rapen Nr. 4), Bernhard Notarp (Rapen Nr. 5), Josef Notarp (Rapen Nr. 31), Jeismann (Rapen Nr. 8), Gremm (Rapen Nr. 15) und Leppelmann (Rapen Nr. 18), Tensmann (Rapen Nr. 19), Prott (Rapen Nr. 21) und Pathe (Rapen Nr. 34). Davon sind Mersmann, Ovelhey, Janinhoff, Pathe (jetzt Auf´m Heidacker), Bernhard Notarp, Josef Notarp, Gremm und Leppelmann noch Vollerwerbslandwirte.Gewerbeansiedlung in Rapen nach 1945Ansiedlungen der ersten Stunde waren die Danziger Goldwasserfabrik Damman auf dem alten Rapener Sportplatz an der Wittekindstraße und das Bauunternehmen Homberg, Rapener Straße. Letzteres hat sich inzwischen zu einem leistungsfähigen Marmor-Fachbetrieb gewandelt, während der erstgenannte Betrieb schon lange nicht mehr besteht. Schuhmachermeister Hans-Günter Trottenberg hat seine Werkstatt seit 1957 an der Ewaldstraße. Etwas später eröffneten Josef und Maria Rütershoff ihre Gaststätte. Im Buschkamp, an der Freiheit- und Ewaldstraße entstanden weitere Restaurations- und Gaststättenbetriebe. Nicht zu vergessen das "Rapener Tal" von Clemens Bergmann. Zwei Tankstellen, die erste von Hildemar Böhm, die zweite von Bruno Alt, wurden in Rapen nach 1948 eingerichtet. Beide lagen an der Ewaldstraße. Sie wurden inzwischen wieder geschlossen. In den Räumen der Tankstelle Böhm befindet sich nun TAXI-Bley. Bruno Alt übergab vor etlichen Jahren seine Tankstelle an Klaus Köhler, der den Tankbetrieb im April 1993 einstellte. Sein Sohn betreibt dort noch eine KFZ-Werkstatt und einen Kiosk.Gewerbegebiet Rapen Süd, ca. 30 neue FirmenSeit 1960 richteten sich einige Gewerbebetriebe am unteren Teil der Straße Im Buschkamp ein, die inzwischen geschlossenen Betriebe Kleiderfabrik Weiß und Maschinenstickerei Rieping. Auf der Rapener Seite des Westerbachs kamen später die Firmen Allkauf, Möbel Peters (Stimbergmöbel), Auto Laser, die Schreinereien Kartein, Pennekamp und Denninghaus dazu. Metallverarbeiter Knieper und Opel Bieling sowie KFZ-Henne, Dreherei Gropp, Elkaderm, Dachdecker Haug, Muttern-Dreherei Schmelting Steuerberaterin Köster, Baustoffhandel Ortmann, Elektro Tomczak, Anstreicher Jegelka, VEW AG, KFZ-Ridder, Goldschmiede Müller, Metallverarbeitung Neugebauer, Elektronik Erlen, Gardinen Bäga, Transporte Beckmann und Omnibusbetrieb Forger. Lebensmittelmarkt FBL und Baumarkt Götzen runden zur Zeit die beachtliche Zahl der neuen Gewerbetreibenden in Rapen Süd ab. In absehbarer Zeit wird auf dem Rapener Hübbelkamp ein Erweiterungsbau der Erkenschwicker Fleischwarenfabrik Barfuss eröffnet. Anmerkung: Die Fleischwarenfabrik Barfuss, die Kabelfabrik Engbring und etliche andere Mittelbetriebe zwischen Westerbach und Horneburger Straße können wir nicht zu Rapen zählen. Sie liegen im Gebiet Huberts Heck, welches zur alten Bauerschaft Erkenschwick gehört.Fast 60 neue Firmen im Gewerbegebiet Rapen NordNachdem Schacht IV/V den Förderbetrieb eingestellt hatte, erwarb die Stadt große Flächen des früheren Gutes Dillenburg im Rapener Tal und im Winkelfeld. Hier entstand der zweite Rapener Gewerbepark. Die zwischen Karlstraße und Steinrapener Bach liegenden Flächen sind bis auf kleine Lücken inzwischen mit Betrieben besiedelt worden. Zur Zeit füllt sich auch das Winkelfeld nördlich der Zechenbahn. Nördlich der Ewaldstraße ansässige Firmen sind Autohaus Hacke, Elektro Ewald, Schreinerei Schmülling, Montagefirma Cora, Metallbau Konert, Edelstahlverarbeitung ZK-Hospital, Metallbau Wewer, Hoffmann-Bau, Tennishalle Activ Treff, Werbung Hustiak, KFZ-Teile Langenscheidt, Erdbau Bürke, Tiefbau Bikowski, Druckerei Neumann, Zeltverleih Schifke-Tewes, Sanitär Senica, Kamine-Fliesen Duis, Bauelemente Rachuba, Fleischerei Lechtenböhmer, Kälte-Klima Aumann, Fleischhandel Rusche, Spedition Kunze, Elektro Dankeweit, Dichtungen Schürk, Grabsteine Salomon, Sanitär Fischer, Dreherei T. u. G., Daro-Bau, Studio 33, Tasso-Betten, Spedition Klückmann, Dreherei Waluga, Metallbau Feld, Elektro Kulfanek, Gärtnerei Tensmann, Elektronik Becker, Schreiner Wesselbaum, Niemann Chemie, Gelhard Autoradios, Interconti Autoradios, Fleischwarenhandel Chrobok, Müter Messgeräte, Schreinerei Gaschk, Spedition Harloff, Wabi Tische, Jaust Anlagentechnik, Kunststofftechnik Fleck, GTA Glastechnik und Anlagenbau, Kuhlmann Kühltechnik, Geschenkartikel Zysk, IAE Institut für angewandte Energieeinsparung und Solartechnik, Metallhandel Loheider, Malerbetrieb Stoerbrauck, Nadzeyka Verpackungsmaschinen, Medas Computer-Programme, Platinencenter Bochum, Caldo Heizungen, SMS Saug- u. Sandstrahltechnik und Hoppe Industriebedarf
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